Erstellt am: 30.09.2021
Bei Anwendbarkeit des Manteltarifvertrags für Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg (MTV) kann eine vereinbarte verlängerte regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf Wunsch des Beschäftigten oder des Arbeitgebers einseitig verringert werden. Dies gilt grundsätzlich auch in den Fällen, in welchen der Beschäftigte über Jahrzehnte hinweg in einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden gearbeitet hat.
Sachverhalt
Der Arbeitnehmer hatte seit Beginn seines Arbeitsverhältnisses im Jahr 1982 nahezu ausschließlich in einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden gearbeitet. Lediglich für einige Monate lag vorübergehend seine Wochenarbeitszeit bei unter 40 Stunden pro Woche.
Seit Dezember 2010 bis Juni 2019 hatte ihm die Arbeitgeberin für nachfolgende Zeiträume zwischen sechs Monaten und einem Jahr jeweils schriftlich mitgeteilt, dass seine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit befristet 40 Stunden beträgt, sie sich vorbehält, auch vor Ablauf der Befristung entsprechend den tariflichen Regelungen die Arbeitszeit wieder zu reduzieren sowie das Entgelt entsprechend anzupassen und dass mit der Befristung zugleich die tarifliche Ankündigungsfrist für eine Arbeitszeitreduzierung gewahrt ist. Die Mitteilung der Arbeitgeberin von Dezember 2019 sah - bei im Übrigen gleichlautenden Inhalt - jedoch für die Zeit ab Januar 2020 befristet bis Juni 2020 eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von lediglich 37,5 Stunden vor. Nach Ablauf dieser letzten Befristung beschäftigte die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer nur noch mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden. Dies entsprach der regelmäßigen tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit, wie sie grundsätzlich seit 1997 in den Manteltarifverträgen der Metallindustrie in Baden-Württemberg vorgesehen ist.
Der zuletzt mit dem Arbeitnehmer im Jahr 1999 abgeschlossene Arbeitsvertrag enthielt Regelungen, wonach die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Arbeitnehmers 40 Stunden beträgt, und im Übrigen - auch für Mehrarbeit - die gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Bestimmungen gelten. Zusätzlich enthielt dieser Arbeitsvertrag die Regelung, wonach im Übrigen die gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen, die Arbeitsordnung und die sonstigen Betriebsvereinbarungen, die Richtlinien sowie die Anweisungen der Firma in der jeweiligen Fassung gelten.
Entscheidung
Die Arbeitgeberin konnte sich mit Erfolg auf die tariflichen Regelungen berufen. Durch die wirksame Bezugnahme im Arbeitsvertrag kamen die Regelungen des MTV insgesamt zur Anwendung. Damit konnte sie wie geschehen mit ihrem Schreiben von Dezember 2019 unter Wahrung der dreimonatigen Ankündigungsfrist einseitig eine Reduzierung der Arbeitszeit des Arbeitnehmers mit entsprechender Anpassung seines Arbeitsentgelts vornehmen. In den Regelungen des Arbeitsvertrags war keine vorrangige Individualabrede zu sehen. Auf einen dauerhaften Einsatz im Umfang von 40 Stunden pro Woche konnte der Arbeitnehmer nicht vertrauen. Die Klage des Arbeitnehmers wurde daher vom Arbeitsgericht Stuttgart abgewiesen. Seine Berufung beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg und seine anschließende Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht hatten keinen Erfolg.
Hinweis
Auch der aktuelle MTV enthält diese tariflichen Regelungen zur einseitigen Reduzierung der Arbeitszeit des Arbeitnehmers mit entsprechender Anpassung des Arbeitsentgelts. Er sieht als tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen grundsätzlich 35 Stunden („normale Vollzeit“) vor. Individuell kann hiervon abweichend eine auf bis zu 40 Stunden verlängerte regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit („verlängerte Vollzeit“) vereinbart werden. Die vereinbarte verlängerte Arbeitszeit kann auf Wunsch des Beschäftigten oder des Arbeitgebers nach § 8.2 MTV einseitig unter Wahrung einer Ankündigungsfrist von drei Monaten geändert bzw. verringert werden. Weitere zu beachtende Voraussetzungen gibt es insoweit nicht. Insbesondere müssen keine betrieblichen oder sonstigen Gründe für die Verringerung geltend gemacht werden. Die Verringerung steht im freien Ermessen der Arbeitsvertragsparteien. Die Änderung der Arbeitszeit tritt nach Ablauf der Ankündigungsfrist unmittelbar und ohne Mitwirkung der anderen Arbeitsvertragspartei ein. Dass diese Tarifregelung mit höherrangigem Recht vereinbar ist, hat das Bundesarbeitsgericht bereits 2009 entschieden. Beiden Arbeitsvertragsparteien wird damit insoweit ein Eingriff in die vertraglich geregelten Hauptleistungspflichten ermöglicht.
LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.09.2021 - 17 Sa 6/21 - rechtskräftig